Frequently asked questions

Was bedeutet BIPoC?

B – Black
I – Indigenous
PoC – People of Color
BIPoC ist ein Sammelbegriff für nicht-weiße Menschen und stellt Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Positionierung als Mensch dar, der Rassismus erfährt (Vgl. Rolling Eyes, 2019: BIPoC/BI_PoC, S. 36).

Was bedeutet Resilienz?
Die Verwendung, sowie das Verständnis von Resilienz sind meist abhängig von dem jeweiligen Anwendungskontext (Fathi 2018: 29). Judith Rahner (2021) setzt Resilienz in den engeren Zusammenhang mit dem Erstarken autoritärer, antiliberaler, vielfaltsfeindlicher und nationalistischer Dynamiken sowie den damit einhergehenden gesellschaftlichen Polarisierungen. Für das „Praxishandbuch Resilienz in der Jugendarbeit. Widerstandsfähigkeit gegen Extremismus und Ideologien der Ungleichheiten“ hat Judith Rahner folgende Definition zugrunde gelegt:

„Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen und Risikofaktoren wie menschenfeindliche und antidemokratische Dynamiken, Ideen und Situationen durch Rückgriff auf organisationale, fachliche und persönliche Ressourcen zu bewältigen und sie als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, um für zukünftige Herausforderungen widerstandsfähig zu sein.“ (Rahner 2021: 10)

Allen verschiedenen Ausrichtungen von Resilienz ist gemein, dass sie mit dem Resilienz-Konzept versuchen, Prozesse des Widerstands und der Widerstandsfähigkeit zu fassen, die in die Bewältigung und Steuerung von Komplexität eingebettet sind (vgl. Endreß/Maurer 2015). Der überwiegende Teil der Konzeptionierungen von Resilienz geht von einer notwendigen Veränderungsleistung angesichts besonderer, disruptiver Ereignisse aus, wie etwa Gefährdungslagen, radikale Umbrüche oder sich wandelnde Verhältnisse (vgl. Meyen 2015 in Vogt/Schneider 2016).

Im Anschluss an eine responsive Rationalisierung von Resilienz und eine gerechtigkeitstheoretische Fundierung mit der Kernkategorie Befähigung als Berechtigung wird vorgeschlagen, einen ‚Resilienzbegriff einer (post-)migrantischen Gesellschaft‘ konzeptionell entlang der Dimensionen von Überleben, Selbstwirksamkeit und Agency auszuarbeiten. Zur Dimension des Überlebens gehören der Schutz und die Sicherheit, ein Leben führen zu können, das man aus guten Gründen als lebenswert erachtet (vgl. Collins 2000). Zur Dimension des Überlebens gehören der Schutz und die Sicherheit, ein Leben führen zu können, das man aus guten Gründen als lebenswert erachtet (vgl. Collins 2000). Überleben verweist auf „[d]ie Fähigkeit, ein volles Menschenleben bis zum Ende zu führen; nicht vorzeitig zu sterben oder zu sterben, bevor das Leben so reduziert ist, dass es nicht mehr lebenswert ist“ (Nussbaum 1999: 17 f.).1 Es geht also um ein ‚gutes Leben‘ im Sinne eines würdigen Lebens und um die Sicherheit der Unversehrtheit.

Der Staat und seine demokratischen Institutionen müssten Sicherheit in einem spezifischen Sinne gewährleisten: „Die Sicherheit in den drei Bedeutungen certainty (Gewissheit hinsichtlich der Regeln des Handelns), security (Schutz der sozialen Stellung) und safety (körperliche Unversehrtheit und Unantastbarkeit des persönlichen Eigentums)“ (Frehe 2012: 101) ist als zentrales Element der modernen demokratischen Staatlichkeit eigentlich als eine Selbstverständlichkeit zu verstehen.

Die Dimension der Selbstwirksamkeit meint, die Erfahrung zu machen, Möglichkeitsräume tatsächlich nutzen zu können, um durch das eigene Handeln Einfluss auf die jeweils konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse zu nehmen (vgl. Böhnisch 2019). Es ist die Veränderung vom reinen Überleben hin zu einem gelingenden Leben. Selbstwirksamkeit ist die Möglichkeit, das eigene Leben und nicht das von jemand anderem zu leben (vgl. Nussbaum 1999). Dies umfasst auch, die Freiheit und Kontrolle über das eigene Leben zu haben. Selbstwirksamkeitserfahrungen und Handlungsspielräume stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis. Auma/Kinder/Piesche (2018) verweisen darauf, dass die Erhöhung der sozialen Resilienz von Menschen, die von Rassismus und/oder Antisemitismus betroffenen sind, einhergeht mit politischer Selbstwirksamkeitserfahrung.

Die Dimension der Agency2 meint die Handlungsfähigkeit von Akteur*innen (agents). Damit ist jedoch nicht einfach die Fähigkeit gemeint, Entscheidungen zu treffen, autonom zu handeln und seinen Alltag zu bewältigen, wenngleich dies eine Dimension von Resilienz darstellt. Agency meint darüberhinausgehend die Möglichkeit von Akteur*innen, sich im Kontext ihrer sozialen Bezüge kulturelle Kategorien und Handlungsbedingungen anzueignen, um diese dann aber auf der Grundlage „individueller und kollektiver Ideale, Interessen und Überzeugungen zu verändern“ (Emirbayer/Mische 1998: 963 zit. n. Scherr 2013: 233). Agency ist keine erlernte oder angeborene Eigenschaft, sondern eine Form kreativer Handlungsfähigkeit, die sowohl individuellen als auch kollektiven Akteur*innen zur Verfügung stehen kann und die sich auf eine zu gestaltende Zukunft ausrichtet. Agency wird in Interaktionen mit Anderen erzeugt.

Diese Dimensionierung von Resilienz (Überleben – Selbstwirksamkeit – Agency) kann hier im Gegensatz zu sozialer oder individueller Resilienz als transformative Resilienz bezeichnet werden. Eine transformative Resilienz sucht nicht das Entweder-oder von Struktur/dem Sozialen und dem Individuum, und sie ist nicht auf Beständigkeit aufgerichtet. Transformative Resilienz zielt auf Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse und darin eingebetteter Individuen und Kollektive im Sinne sozialer Gerechtigkeit und bezieht sich damit sowohl auf die Ebene der Sozialstruktur als auch auf den Alltag der Menschen. Alle drei Dimensionen (Überleben – Selbstwirksamkeit – Agency) wirken in transformativen Prozessen von Resilienz zusammen. Da sie bezogen auf das Konzept der Resilienz nur als response auf disruptive Ereignisse oder dauerhaft schmerzhafte Lebensbedingungen verstanden werden müssen, ist die jeweilige Gewichtung der Dimensionen in diesen Prozessen abhängig von diesen Ereignissen, den Bedingungen unter denen sie entstehen und von den capabilities und Handlungsspielräumen der Menschen, der sozialen Räume, der Netzwerke, der Communitys, die davon betroffen sind. Dies zeigt sich auch in den Praktiken von Resilienz. Die Frage von Interventionsstrategien zur Förderung von Resilienz setzen sodann an den Ermöglichungsbedingungen dieser Dimensionen an.

Was meinen wir wenn wir von "Solidarischem Handeln" bzw. Powersharing sprechen?
„Der Ansatz des Powersharing richtet sich an all diejenigen, die strukturell privilegiert sind und ein politisches Interesse daran haben, diese Strukturen hin zu einer gerechteren Verteilung von Macht, Zugängen, Lebens- und Beteiligungschancen zu verschieben. Unsere Positionen und Handlungsspielräume sind komplex – insbesondere, wenn wir auch die globale ökonomische Ungleichverteilung in den Blick nehmen. Ein Erkennen von Machtstrukturen und das bewusste Wahrnehmen der eigenen Position und Rolle darin ist die Voraussetzung, um Powersharing im Hinblick auf solidarisches Handeln zu ermöglichen.“ (Nassir-Shahnian 2020: 29.)

Powersharing wird zumeist profiliert, indem es als das Gegenüber von Empowerment verstanden wird. Das paarweise Aufrufen von Empowerment und Powersharing markiert eine Komplementaritätsvorstellung in dem Sinne, als würden die Praktiken des Empowerments im Hinblick auf die transformative Einflussnahme auf gesellschaftliche Machtverhältnisse an Grenzen stoßen und auf eine andere Form der Grenzbearbeitung angewiesen sein.

Sofern Machtverhältnisse verändert werden sollen, sind marginalisierte Menschen Haug, Strähle und Kechaja zufolge darauf verwiesen, dass Positionen und Strukturen, die von den bestehenden Verhältnissen profitieren, die Bereitschaft haben, auch an der Veränderung dieser Verhältnisse mitzuwirken. Aus dieser Perspektive muss Empowerment also ergänzt werden, durch Praktiken, deren Hauptanliegen genau in dieser Bereitschaft der Umverteilung von Kapitalien beziehungsweise Macht besteht.

Powersharing ist in einem ersten Schritt dann das Bewusst-Werden und Transparent-Machen von Privilegien im Sinne von Zugängen zu und Besitz von Kapitalien, die die eigene Position gegenüber anderen bevorteilt (Privilegienreflexion). In einem weiteren Schritt von Powersharing müssen Menschen die Bereitschaft haben, etwas an den gesellschaftlichen Verhältnissen zu verändern. Powersharing geht also einen Schritt weiter als eine Privilegienreflexion und ruft die Veränderung dieser Verhältnisse auf, in dem Sinne, dass Schritte überlegt, Handlungen umgesetzt werden sollen, wie die erkannten Privilegien umverteilt, abgegeben oder geteilt werden können.

Das heißt, dass eine Person Verantwortung für eine Aufgabe oder Problemlösung übernimmt, die an sie herangetragen wird, und dass diese Person die Bereitschaft hat, zu einer verantwortenden Person zu werden (vgl. Chehata 2020). Zwei Dimensionen von Verantwortung also, die in Konzeptionen von Powersharing zusammenfließen: Die Rollen- und Erfüllbarkeitsverantwortung (responsibility), die sich auf die Gegenwart richtet und die Zurechnungsverantwortung (accountability), die sich von der Gegenwart in die Zukunft hinein entfaltet.

Als weiteren Zielhorizont von Powersharing kann die Unterstützung von Empowerment-Prozessen genannt werden, die sodann eine Form solidarischen Handelns darstellen. An dieser Schnittstelle liegt die strategische Verbindung von Empowerment und Powersharing: „Powersharing bezeichnet das Zurverfügungstellen von Ressourcen für das Empowerment von minorisierten Gruppen, ohne über deren Verwendung zu bestimmen. Solche Ressourcen können Zeit, Raum, Geld, materielle Ressourcen oder auch immaterielle Ressourcen wie Öffentlichkeit, Status oder Kompetenzen sein. Dies geschieht auf der Grundlage von Solidarität und nicht auf Grundlage von Vereinnahmung“ (Rosenstreich 2018: 9). diese Praxis konkretisiert in der Maxime des Gebens ohne Einmischung oder Vereinnahmung. Diese Schnittstelle zwischen Powersharing und Empowerment macht gleichsam auch die Grenze zwischen den beiden Prozessen aus. Auch in der Bezugnahme auf Solidarität ist Powersharing als Ansatz auf ein Gegenüber verwiesen, da sich solidarisches Handeln immer auf einen anderen Menschen oder anderes Kollektiv bezieht. Daher kann hier das solidarische Handeln als Scharnier zwischen den Polen Empowerment und Powersharing gelesen werden. In diesem Verständnis des Teilens von Macht geht es zum einen darum, die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten einzusetzen und damit die Gestaltungsmöglichkeiten von anderen zu erweitern (vgl. Kechaja/Foitzik 2021: 71).

Was bedeutet Empowerment?
Bei Empowerment handelt es sich um ein „dekoloniales, Community-orientiertes Konzept zur Selbststärkung, Heilung und (Wieder-)Aneignung von Handlungsspielräumen von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen“ (Nassir-Shahnian 2020: 30). Als Empowerment werden jene Prozesse bezeichnet, „die Menschen aufgrund ihrer Selbsttätigkeit in die Lage versetzen, Verantwortung, Bestimmung und Durchsetzungskraft eigener Interessen zur Geltung zu bringen, ohne dass eine gezielte professionelle Einmischung vorkommt“ (Bakic 2014 o. S.). Wenngleich der Begriff eine verzweigte Geschichte aufweist, so ging es in den Prozessen und Aktionen der 1960er- und 1970er-Jahre, die als Empowerment bezeichnet wurden, vor allem darum „einen politischen Aktivismus zur Durchsetzung kollektiver Interessen von marginalisierten Gruppen und als außerstaatliche Gegenmacht wirksam werden zu lassen“ (Madjlessi-Roudi/Virchow 2020: 303).

Fragen sozialer Ungleichheitsverhältnisse und das Streben nach Veränderung des gesellschaftlichen Zusammenlebens sind Kernprinzipien des Empowerment-Begriffs, wie er in den Schwarzen Bürger*innenrechtsbewegungen hervorgebracht wurde, die ein von der weißen Dominanzkultur unabhängiges Selbstbewusstsein betonten und erkämpften. Aber auch von den (Schwarzen) feministischen Bewegungen, der LSBTTIQ*-Bewegungen, dem Asian American Movement, von Aktivist*innen mit beHinderungen oder vielfältigen Selbsthilfeinitiativen des letzten Jahrhunderts gehen wichtige Impulse für Empowerment aus und werden auch in gegenwärtigen Bewegungen hervorgebracht. In den Selbstbezeichnungen einiger der Bewegungen dieser Zeit wie ‚Antipsychiatriebewegung‘ oder ‚Antipädagogikbewegung‘ wird programmatisch deutlich, wie diese sich gerade gegen strukturell organisierte Formen der professionellen Einmischung richten. Auch Srilatha Batliwala (2015) hebt die Dimension der Konfliktivität für eine grundlegende Veränderung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen als zentrale Perspektive von Empowerment hervor (Batliwala 2015; Madjlessi-Roudi/Virchow 2020: 303 f.).

Zentrales Prinzip von Empowerment – unabhängig von den historisch-spezifischen Variationen in Sprache, aber auch in den Forderungen dieser Bewegungen – ist eine Form der politischen Selbstorganisation, der eine kollektive Bemächtigung gegenüber unterdrückenden Strukturen und Verhältnissen zugrunde liegt. Empowerment hat demnach auch einen bestimmten Zielpunkt, den man als Öffnung und Aneignung von Berechtigungsräumen bezeichnen kann.

Empowerment ist ein communityorientiertes Konzept, was bedeutet, dass sich Subjekte als Teil eines größeren Narrativs erleben und die Position, die sie einnehmen, mit anderen Menschen in Teilen geteilt (nicht gleich) ist. Wichtig ist daher zu verstehen, welche Relevanz Begriffe und Ausdrucksweisen in Communitys und kollektive Narrative für Prozesse des Empowerments innehaben, Teil von Lebensgeschichten werden und wie sie Einfluss nehmen und Veränderungen bewirken. Empowerment verstanden als Prozess bedeutet, dass diese Praktiken erst im Nachhinein als ‚etwas‘ wie Empowerment bezeichnet werden können.

Sofern Empowerment-Prozesse auf die Veränderung von Machtverhältnissen zielen, ist der Moment der Bemächtigung konstitutiver Bestandteil aller Praktiken des Empowerments. Es geht darum, Räume „in denen die Anderen gehört werden, und andere bisher unbeachtet gebliebene Perspektiven freizulegen, die bisher nicht als wertvoll qualifiziert waren“ (Castro-Varela/Dhawan 2003: 279).

‚Raum‘ ist hier weit zu verstehen; als Raum in materialisierten Welten, aber auch als soziale Räume, Räume des Sprechens, des Daseins, der Sichtbarkeiten. Das Workshop-Setting – so wichtig diese Form ist – stellt nicht die einzigen relevanten Räume für Empowerment-Praktiken dar. Daher drücken sich Praktiken des Empowerments vielstimmig und vielgestaltig aus. Sie sind plurale Ausdrucksformen dieser verschiedenen Bedeutungsebenen. Sei es in Podcasts, in (eigenen) Geschichten, in politischen Protesten, in der Gründung von Selbstorganisationen, im Nachbarschaftsraum, in der Community, in der Teestube, auf der Straße, in sozialen Netzwerken, in politischen Arenen, in Gedichten, in der Musik u.v.m.

Zitiert aus: Chehata, Yasmine/ Dib, Jinan/ Edwin, Thivitha/ Sinoplu, Ahmet/ Wenzler, Nils (2023): Empowerment, Resilienz und Powersharing in der Migrationsgesellschaft. Theorie – Praktiken – Akteur*innen. Weinheim: Beltz-Juventa.